Sterben, Tod und Trauer sind an den Rand unserer Gesellschaft verbannt; lange Zeit war vieles, was damit zusammenhing, nahezu tabuisiert. Vielleicht gelingt es uns deshalb so gut, die Illusion ewigen Wachstums aufrechtzuerhalten: sie ist das Gegenteil von Endlichkeit. Dabei lässt sich von Sterbenden und Sterbeforschung viel lernen. Zum Beispiel, dass sterbende Menschen altruistischer werden, dass sie die Frage umtreibt: Was wird nach mir bleiben?
In einer Lesung des Textes »motherboy« verbindet lynn t musiol die ökologische(n) Krise(n) mit Geschichten zu queeren Praktiken bei Verlust und Trauer. Dey erzählt vom schäbig-schönen Garten des Filmemachers Derek Jarman, von Trost und Arznei für eine sterbende Welt.
Im Gespräch mit dem Leiter des Museums für Sepulkralkultur Dr. Dirk Pörschmann, dem Filmemacher Philipp Döring, der 2024 seinen Dokumentarfilm »Palliativstation« herausgebracht hat und Palliativ-Dramaturg Christian Tschirner geht es um die Verdrängung von Tod und Sterben, kunstvolle Tode, Totenkult und Theater, irrationale Ängste und den ökologischen Wert von Friedhöfen. In der Performance »Wunderland« fragt der Performer und Regisseur Çağlar Yiğitoğulları nach dem Leben in einer neuen Welt. Wie bewegen und begegnen wir uns, wenn die Welt, wie wir sie kannten, für immer verschwunden ist? Gehen wir dann zwangsläufig über einen riesigen Scherbenhaufen? Oder können wir auf Glas laufen?
Wie an jedem Abend: Trauertücher färben mit Ella Ziegler.
Von und mit: Phillip Döring, lynn t musiol, Dr. Dirk Pörschmann, Christian Tschirner, Çağlar Yiğitoğulları, Ella Ziegler
Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise stößt an planetare Grenzen. Liebgewonnene Gewissheiten erodieren. Und die Kommunikation hierüber steckt in einem Dilemma: Betonen wir die Fakten zum Stand der Dinge, laufen wir Gefahr, Hoffnungslosigkeit und gesellschaftliche Lähmung zu befeuern. Verlegen wir uns darauf, über die kleinen Schritte in die richtige Richtung zu sprechen, verharmlosen wir die Situation. Beides hilft nicht weiter. Frei nach Heiner Müllers Diktum „Nekrophilie ist Liebe zur Zukunft!“ versucht die palliative Dramaturgie die Zukunft vom Ende her zu denken. Sie übersetzt Erfahrungen aus Sterbebegleitung und Trauerarbeit in gesellschaftliche Erzählungen. Denn nicht nur Individuen, auch Gesellschaften haben ein Verfallsdatum. Doch gibt es einen Zusammenhang zwischen persönlicher Trauer und dem Trauern über den Verlust der Welt? Und wenn ja, wie kommen wir dazu, unsere Situation zu akzeptieren? Schließlich ist gemäß der Palliativmedizin erst in der Phase der Akzeptanz sinnvolles Handeln wieder möglich. Expert*innen der Palliativmedizin, der Soziologie, der Bildungs-und Kulturwissenschaft gehen durch die Korridore unseres Verstandes, konfrontieren uns Künstler*innen mit den Dämonen unserer Verleugnung und Verzweiflung, versöhnen uns Praktiker*innen mit Leben und Tod, um das Ende der Welt (wie wir es kennen) zu einem Anfang zu machen.
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